Von Moloch in die Wüste

Eigentlich hatte ich mir das schlimmer vorgestellt. In der Innenstadt von Tehran komme ich relativ zügig voran, kein Vergleich zu Städten wie Kairo. Mit Hilfe meines GPS stehe ich dann auch bald vor dem Hotel meiner Wahl, dem Khayyam im ältesten Teil der Stadt. Bett, Internet und einen sicheren Abstellplatz für Rosie, mehr brauche ich nicht. Dazu sind das Personal und der Besitzer noch ausserordentlich freundlich und hilfsbereit.
Das mit dem Internet ist aber so eine Sache im Iran. Die meisten ausländischen Nachrichten- und Blogseiten sind gesperrt. So auch meine. Wundert mich schon, habe ich bislang doch nur positives zu berichten…
Da hilft nur das herunterladen einer speziellen Software und schon klappts auch mit den Seiten der Staatsfeinde.
Ich bestelle mir für den nächsten Morgen ein Taxi, um meinen Pass vom DHL Office abzuholen. Es ist im Iran schwer zu sagen, was ein Taxi ist und was nicht. Zwar gibt es auch gekennzeichnete gelbe Fahrzeuge, aber viele Autobesitzer besuchen ihr spärliches Einkommen mit dieser Dienstleistung etwas aufzubessern.
So auch der mindestens 80jährige Opi, der sich als mein morgendlicher Fahrer vorstellt. Schon bald bereue ich es, nicht Rosie angeschmissen zu haben. Opi hat nicht nur schon einen Grossteil seines Gehörs eingebüßt, sondern auch die Sicht durch seine Glassbausteine reicht scheinbar nicht mehr so ganz für die Anforderungen des hiesigen Strassenverkehrs. Nachdem wir fast 5 Passanten überfahren und einige Umwege gefahren haben, weil er meine geschrieenen Anweisungen nicht verstand, klettere ich dann doch irgendwann zitternd aus dieser Blechdose und stehe vor dem Wahrzeichen deutscher Tugenden: deutsche Post, ok, DHL. Und wirklich, mein Pass ist da. Es kann also Richtung Pakistan gehen. Danke Sebastian!!
Ich beschliesse, zu Fuss zurück zu gehen, aber nicht ohne vorher einen Abstecher zum Iranian Photography Center zu machen. Hier werden angehende Fotografen ausgebildet und bekommen eine Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren.
Gerade bereiten 5 junge Iranerinnen ihre kommende Ausstellung vor. Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig komplett verschleierte Frauen dabei zu beobachten, wie sie ihre sehr sozialkritischen Bilder drapieren. Wir fachsimpeln noch etwas, ich schiesse noch ein Gruppenbild mit Damen und mache mich auf den Weg.
Kurz vorm Hotel quatscht mich ein adrett gekleideter Iraner an und lädt mich zu einem Tee in sein nahes Appartement ein.
Reza ist im Papierbusiness, sehr gebildet und nach langen Gesprächen muss ich ihm versprechen, mich am kommenden Tag zu melden, damit er mir das alte Tehran zeigen kann. Damit kann ich leben.
Am nächsten Morgen wieder ein Taxi. Dieses Mal nehme ich mir einen Fahrer unterhalb des Rentenalters und komme somit weitaus entspannter zur Indischen Botschaft. Aber ich soll noch zu meinen Herzrythmusstörungen kommen.
Der Raum für die Visavergabe ist gerammelt voll und alle spielen verrückt. Erst als ich mich dem allgemeinen Wahnsinn anschliesse und eine Botschaftsangestellte zwecks Auskunft mit Gewalt in eine ruhigere Ecke zerre, verstehe ich den Grund des Aufruhrs. Man hat seit einer Woche schon keine Verbindung zu Delhi und kann deshalb keine Visa ausstellen.
Alle sind schwer genervt. Ich auch, randaliere noch ein bisschen mit und beschliesse diesem Ort des Unvermögens den Rücken zu kehren und mein Glück in Islamabad zu versuchen.
Im Hotel überlege ich, einige Klamotten für die vergangenen kalten Tage nach Deutschland zu schicken. Werde ich erstmal wohl nicht mehr brauchen und sind sperrig.
Also ab zum Hauptpostamt. Soll ja bis 7 Uhr auf haben und es ist ja erst kurz nach 4. Ich betrete die riesige Schalterhalle und stelle fest, dass bis auf den Pförtner nur noch eine Burka kräftig auf einer alte Schreibmaschine rumhackt.
So werde ich aufgeklärt, dass man zwar bis 7 Uhr auf habe, aber keiner sooo lange arbeiten wolle. Tolle Nummer, ziehe ich halt mit meiner Alditüte wieder ab.
Dafür besänftigt mich Reza mit einer tollen Sightseeing Tour durch das unbekannte abendliche Tehran.
Ich schaffe es dann doch noch mein Paket abzuschicken und starte Richtung Esfahan.
LangweiligeAutobahnfahrt bis Qom, dem Ort wo Khomeini bis zu seinem Exil gelebt hat. Hier ist auf einmal Ende mit Autobahn und ich verfahre mich gnadenlos, bis ich die Nebenstrasse nach Esfahan finde.
Zeitgleich kommt ein Sandsturm auf und ich habe Probleme Rosie auf der Strasse zu halten. Im 45 Grad Winkel neige ich mich gegen den Wind und werde dabei noch gesandstrahlt. Haarig wird es, wenn man in und aus dem Windschatten der grossen LKWs fährt. Gott sei Dank ist Rosie ein schweres Mädchen und lässt sich so schnell von nichts umhauen.
Esfahan ist ein Traum. Wird hier irgendwann mal Bier erlaubt, mache ich hier eine Kneipe auf. Denn das ist das einzige, was fehlt. Nicht das Bier,das auch, aber allgemein die Möglichkeit im ganzen Iran, sich mal in ein Strassencafe zu setzen.
Man will keine Zusammenrottung von Menschen. Könnten ja auf komische Gedanken kommen.
Aber es gibt schon kuschelige Cafes und Restaurants hinter verschlossenen Türen und ich finde sogar ein verstecktes Open Air Hinterhofcafe, Treffpunkt vieler anders Denkender.
Hier treffe ich Fathima, Studentin, Englischlehrerin und Tour Guide in Personalunion, die sich meiner annimmt und mir die Stadt zeigt.
Das Esfahan eine Unmenge an sagenhaften Baudenkmälern zu bieten hat, ist hinlänglich bekannt. Aber was mich am meisten fasziniert ist die Tatsache, wie grün es hier ist. Umgeben von karger Landschaft wandelt man hier eigentlich immer unter einem Blätterdach. Es gibt unzählige Parks und Grünflächen in denen ausgiebig dem Iranischen Hobby gefrönt wird, dem Picknick und man der Hektik des Alltags entfliehen kann. Das wirkt sich auch auf die Mentalität der Bewohner aus. Alles ist sehr relaxt. Bis auf meine Wenigkeit. Ich werde schon wieder auf zu viele Tees eingeladen und mein Coffeinpegel ist permanent im roten Bereich.
Irgendwann frage ich Fathima, warum so viele Frauen mit verbundenen Nasen durch die Gegend rennen. Ich bereue meine Frage sofort, denke an häusliche Gewalt, die bekommen halt zu Hause gut auf die Zwölf. Aber sie macht mich auf andere Frauen aufmerksam und prustet ein bisschen in sich hinein. Und wirklich haben viele Ähnlichkeit mit Michael Jackson. Nasen OPs sind des Rätsels Lösung. Neuer Trend, sagt sie. Natürlich ist schöner, denke ich mir im Stillen, und bin froh, dass zumindest Brustvergrösserungen bei den Klamotten keinen Sinn machen.
Ich will auf dem Weg nach Shiraz durch die Zagros Berge . Und natürlich habe ich wieder einen kleinen Sandsturm. Die Sicht könnte daher besser sein, aber trotz allem ist die Strecke grandios. Fruchtbare grüneFlusstäler umgeben von kargen orange leuchtenden Bergen ziehen an mir vorbei. Im Hintergrund liegt noch Schnee auf dem ganz hohen Bergmassiv. Dazu noch tolle kurvenreiche Strasse. Erst kurz vor Shiraz holt mich die Realität in Form von Verkehrschaos wieder ein und ich erwache aus diesem schönen Traum.
Ich finde die Hauptstrasse, den Zand, nicht und bleibe entnervt an einem Kreisverkehr stehen. Und dann treffe ich die iranische Version von Don Quichote und Sancho Panza, die aus einem Auto aussteigen und mir ihre Hilfe anbieten. Nasir ist 1.90cm gross, hager und kämpft ohne Erfolg gegen alles, was mit der jetzigen Politik zu tun hat und Riar sein untersetzter, kleiner Freund und Taxifahrer. Die beiden adoptieren mich und ich werde sie die nächsten zwei Tage nicht mehr los. Nasir ist Fremdenführer, der sich permanent verläuft und mit seiner zerstreuten Art alles etwas ins Chaos stürzt. Aber auf eine liebenswerte Art, die man sofort ins Herz schliesst.
So bekomme ich auch hier alle Sehenswürdigkeiten auf dem Tablett serviert , muss Nasir immer wieder zurückhalten jeden nicht sofort reagierenden Iraner als „son of a bitch“, seinem englischen Lieblingswort, zu titulieren und habe eine lustige Zeit mit diesen beiden Faktoten. Am Ende wollen sie mich auch nach Persepolis, DER historischen Stätte Irans, begleiten.
Es sind nur 40km bis dorthin, aber wieder schaffen es die beiden, sich zu verfahren. Ich setze mich vor das Taxi und geleite uns sicher zur World Heritage Site.
Ich bleibe einen Tag länger als geplant. Erstens ist Persepolis wirklich beeindruckend und zweitens liegt meine Hütte in einem kleinen parkähnlichen Wäldchen und ist ideal zum Ausspannen nach all der Hektik der Städte.
Auf der Fahrt nach Yazd, einer berühmten Wüstenstadt auf dem Weg an die Pakistanische Grenze, besuche ich noch die Gräber so namhafter Persönlichkeiten wie Xerxes, Darius und Cyrus des Grossen um mich dann wieder in den Bann der Zagros Berge ziehen zu lassen. Die sich die Berge hochschleppenden LKWs mit ihren extremen Ausstoss von verbranntem Öl trüben den Genuss nur gering.
In der Hoffnung, in Yazd noch einen Mitfahrer für Pakistan zu finden, steuere ich die Traveller Unterbringung, das Silk Road Hotel, an.
Und wirklich, es steht eine GS 1200 vor der Tür. Aber es soll über die Nordroute gehen. Wieder kein Glück. Dafür treffe ich Franziska und Henning, die 2 Jahre in Delhi gearbeitet haben und mit ihrem Landy auf der Rückreise nach Deutschland sind. Sie geben mir viele Tips für Pakistan und lassen mich schon etwas beruhigter an die kommenden Wochen denken.
Yazd ist ein guter Ort um die Seele baumeln zu lassen. Man schlendert durch die engen Gassen der Altstadt, die überwiegend aus Lehm erbaut ist, setzt sich in die Innenhöfe der Cafes und trinkt ein islamisches Bier( alkfrei), oder klettert auf eines der Flachdächer und überblickt die von Windtürmen, so genannten Badgirs, übersäte Skyline. Und wie sollte es anders sein, es gibt wieder unzählige historische Bauten zu erkunden.
Aber morgen kommt der Abschied und es steht nur noch Bam, die durch ein Erdbeben zerstörte Stadt, als Station auf dem Weg nach Baluchestan an.